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Die einzigartige Metropole Stuttgart ist mit all ihren Schönheiten und Sehenswürdigkeiten eine der empfehlenswertesten Städte Deutschlands. Doch wer kennt die fast unsichtbare und dunkle Zwischenwelt des Südens – jenseits von pompös und teuer?

Bei einer zweistündigen Stadtführung am 16. März stellten Doris Walter und Thomas Schuler den beiden zehnten Klassen ihr einst hartes und bitteres Leben auf der Straße vor. Beide sind ehemalige Obdachlose. Sie arbeiten heute als Verkäufer/in der Straßenzeitung des gleichnamigen Vereins Trott-war.

 Nachdem sich Herr Schuler kurz vorgestellt hatte, begann die alternative Führung am Charlottenplatz. Wie ein roter Faden zogen sich Suchtprobleme durch die einzelnen Stationen. Bei Herrn Schuler war es der Alkohol, mit dem er schon in seinem Elternhaus in Kontakt kam. Am Ende seiner Suchtkarriere hatte er einen sog. Ruhepegel von über 2,7 Promille Alkohol. Den Absprung schaffte er, weil ihm die Liebe seines Lebens begegnete, die heute noch andauert. Er begann einen Entzug und ist seitdem trocken. Durch seine Tätigkeit für Trott-war ist er heute nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen. Er ist stolz darauf, wie er sagt, dass er heute auch wieder selbst in die Sozialsysteme einzahlt. Obdachlosigkeit ist insgesamt weiter ein großes Problem. Schätzungen gehen für Stuttgart von einer mittleren vierstelligen Zahl aus. Gut in Erinnerung blieb, dass in Stuttgart die jüngste Wohnsitzlose ein zwölfjähriges Mädchen ist – ein Fall, der uns alle berührte und schockierte.

 Als sich die Stadtführung dem Ende neigte, machten wir uns auf den Weg zum Marienplatz. Früher war dies ein parkartig gestalteter Ort, der sich zum Treffpunkt von Drogensüchtigen und Obdachlosen entwickelte. Die Stadt entschied sich für eine Totalveränderung; heute ist es ein betongrauer Platz. Er ist für die Polizei gut einsehbar. Für Übernachtungen zu zugig und kalt von unten. Die früheren „Bewohner“ sind mittlerweile tot oder weitergezogen. Gelöst ist das Problem nicht.

Herr Schuler und Frau Walter beantworteten geduldig unsere Fragen. Wir bedankten uns herzlich und verabschiedeten uns. Es war ein beeindruckender Einblick in Stuttgarts Schattenseiten, der uns Schüler zum Nachdenken anregte.